1. Dezember 2022
Als Inklusion noch ein Fremdwort ist, beginnt Stefan Schlegel in Eidelstedt Sportangebote für Menschen mit und ohne Behinderung anzubieten. 35 Jahre später hat er eines der erfolgreichsten Inklusionssportprojekte des Landes aufgebaut.
Am Anfang waren sie die Freaks. Zwei Gruppen, eine Handvoll Menschen, Erwachsene und Kinder, die sich in Eidelstedt treffen und zusammen Sport machen. Nicht für Wettkämpfe trainieren, sondern einfach so. An sich erstmal nichts Außergewöhnliches. Freizeitsportgruppen gibt es viele. Aber solche wie die von Stefan Schlegel, in denen Menschen mit unterschiedlichsten Behinderungen und ohne gemeinsam trainieren – solche nicht. Zumindest nicht in den 80er-Jahren in Deutschland.
ALS MENSCHEN MIT BEHINDERUNG UNSICHTBAR WAREN
Schlegel erinnert diese Zeit als eine, in der separiert statt zusammengebracht wurde. Ein Junge aus der Nachbarschaft hatte eine Behinderung. Morgens holte ihn der Fahrdienst ab, fuhr ihn in eine spezielle Kita. Viel mehr sah er von ihm nicht. Menschen mit Behinderung wurden unsichtbar gemacht. Als Schlegel seinen Zivildienst in einer Schule für mehrfachbehinderte und blinde Kinder macht, versteht er nicht warum. „Wo ist das Problem?”, fragt er sich. Es ist noch heute sein Lieblingssatz. „Sobald man die Berührungsängste ablegt, ist da ein ganz normales Miteinander.” Das Jahr geht vorbei, lässt ihn aber nicht los.
Stefan Schlegel, groß, dichtes, graues Haar, Eidelstedter seit schon immer, war selbst mal erfolgreicher Leichtathlet. Bei den deutschen Meisterschaften dabei. Paradedisziplin: 400 Meter Hürden. War zwar das, was ihm am wenigsten Spaß machte, aber was er nun mal gut konnte. Er liebt den Sport. Aber wenn er an die Wettkämpfe denkt, den Druck nach Leistung, bleibt vor allem dieses stetige Streben hängen. Schneller, weiter, besser. Viel mehr zählt in seiner Sportart nicht.
Nach seinem Zivildienst bekommt er eine geförderte Stelle beim SV Eidelstedt. Er konzentriert sich auf Leichtathletik, aber schnell schleicht sich eine Idee ein. Sportangebote für Menschen mit Behinderung gibt es zu dem Zeitpunkt kaum in Hamburg – und wenn, dann nur in separierten Gruppen. Könnten sie das hier nicht ändern?